Schwäbische Post / 27.05.2003
Wie Erlebnisgeiger mit Plausch und Bogen Wirkungstreffer erzielen / "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten?" oder einfach "Wie es euch gefällt". Johannes Grützke ist Maler, durchschaubar, Erlebnisgeiger,unüberhörbar, und Poet, ganz ungereimt. Und was er am Sonntag häppchenweise auf dem Koenigsweg verstreute, war wohl ein Gesamtkunstwerk. Irgendwie.
VON VIVIEN MOSKALIUK
Grützke gründete tief im Abgrund der Sinnlosigkeit. Vielleicht. Die Frage drängte sich auf: "Was steckt dahinter?". Die Antwort, kategorisch: "Nichts". Drei Bücher hat er veröffentlicht im Selbstverlag, erfährt man nur. Im "Goethe- Verlag". Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug, als wie zuvor. "Heute war wieder viel drin, aber wir haben nichts rausgeholt", Johannes Grützke und Tilmann Lehnert brachten es beim nachmittäglichen Auftritt selbst auf den Punkt. Irgendwo zwischen Dadaismus und Karl Valentin schwankte die Poesie und ein bisschen nach Loriot klang das auch, was die beiden Herren da so dialogisch poetisch vortrugen. Loriot trieb den Alltag ad absurdum. Grützke und Lehnert wiederum setzten noch einen oben drauf. Loriot absurd, die Absurdität im Quadrat, gewissermaßen. War das Kunst? Antikunst? War das adäquat zu Duchamps "Readymades" oder Kokoschkas "Mörder, Hoffnung der Frauen"? Zumindest war es eigenwillig, nicht primär auf Verständnis zielend, provokant und irgendwie ein bisschen weise. Satzweise. Und dann war da noch die Musik. Die Erlebnisgeiger Johannes Grützke und Wolfgang Gräfe, der Pianist Tilmann Lehnert, die portugiesische, und "einzig professionelle" Sängerin Madalena Leal de Faria. Sie polterten alle gemeinsam dahin durch das Notengestrüpp. Oder zumindest zugleich. Dies Klanggebilde, dies Existentialgemisch erwies sich als überaus atonal, kakophonisch, minimalistisch, der salzige Beigeschmack einer existenzialistischen Performance blieb im Ohrgehäuse stecken. Leicht ironisch, widersprüchlich, de Faria zischte "Schauen, schauen" in den vertonten wilden Wahn, doch der blieb eisern undurchsichtig. Nach anfänglichem Staunen begann das Publikum im Schloss Fachsenfeld die Sache mit Humor zu nehmen. In Ermangelung einer besseren Idee. Und vor dem letzten Stück genehmigten sich die Herren und Damen Improvisateure ein Schlückchen Wein, vielleicht, um das Gespielte der Verdaulichkeit anheim zu geben, die sich so recht nicht einstellen wollte. Grützke jedenfalls sieht sich nicht als Wirkender. Er ist Bewirkter und das Ergebnis ist, nun, Wirkung? Vielleicht hätte Punk zu Zeiten Mozarts so geklungen, vielleicht kann auch nur Musik im Traum so absolut absurd sein. Vielleicht hat Hape Kerkeling genau das mit nur einem Wort beschrieben: "Hurz". In diesem Sinne löste sich der Geigenbogen langsam in seine Bestandteile auf, ähnlich zerfasert wie die Normalität. Und das Publikum meinte: "Phantastisch".