Die erstaunlichen Skulpturen von Anke Eilergerhard entstammen dem eigentlich recht kunstfernen Reich der Küche und sie verschleiern ihre Herkunft aus diesem trivialen Kontext auch keineswegs. Nein, sie tauchen geradewegs lustvoll ein in diesen klischeebeladenen Ort, an dem sich Tradition neben Geschlechterkampf, Geschmacksverirrung neben Funktionalität tummelt.

 

Dass wir die Küche gedanklich gerne unter den Teppich kehren, liegt daran, dass wir sie im Grunde täglich sehen und so betrachten wir sie als einen reinen Zweckraum, dessen künstlerisches Potential wir vor lauter Alltäglichkeit schlicht nicht wahrnehmen.

Anke Eilergerhard nun hat gleich zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn die Küche als einen Ort erkannt, an dem das Kitschige mit dem Praktischen, das Absurde mit dem Gewöhnlichen eine erstaunliche Symbiose eingeht und in dem sich als ein methodisches Sahnehäubchen auch so manches gesellschaftliche Muster im Kleinen abbildet.

 

Wie schon Goethe sagte, ist die Wahrheit nackt und oft unerfreulich, das Triviale hat Dekor und ist immer angezogen, unterhaltsam und sittlich.

Anke Eilergerhard kleidet kurzerhand die ein oder andere unausgesprochene Wahrheit in ein dekoratives Gewand, das uns Betrachtern erst einmal Vertrauen einflößt. Ihre Objekte verströmen auf den ersten Blick eine pastellfarbene Unschuld und lebensweltliche Reinheit und die Assoziationen an die Küche, die diese Skulpturen heraufbeschwören, vermitteln uns ein Gefühl von Zuhause- und Willkommen-Sein.

 

Diese Ausstellung hier in der Gedok trägt den Titel Kitchenplastics, eine Wortkreation, die abgeleitet ist vom Ursprung der Objekte, also der Küche, und der Technik, mit der Anke Eilergerhard diese Objekte verfremdet, dem sogenannten Plastizieren mit Silikon.

Mit Kitchenplastics zeigt uns die Künstlerin eine ausgewählte Zusammenstellung verschiedener Werkgruppen, ein Assortiment ihrer Arbeiten, wenn man so will.

Diesen Werkgruppen wollen wir nun einen verdienten zweiten Blick angedeihen lassen.

Annina, Anni und Annika stammen aus dem Werkzyklus der Annas. Nicht nur die Namen sind Verniedlichungen und Variationen des weiblichen Urnamens schlechthin, von Anna, der Liebreizenden, auch die Formen dieser Skulpturen haben etwas dezidiert und ursprünglich Weibliches an sich.

Die zu irrwitzigen Kompositionen gestapelten Kaffeeservice-Fragmente und Silikon-Sahnehauben bezeichnet Anke Eilergerhard selbst als Büsten und tatsächlich vermeint man in den seltsam disproportionalen Formgefügen von Halskrausen verhüllte Schwanenhälse, spielerische Ohrgehänge und überbordende Kopfbedeckungen zu erkennen.

Obwohl jede der Annas ein individuelles Innenleben zu beherbergen scheint, bleibt der Blick doch allein der Oberfläche verhaftet. Mit der distanzierten Neugierde eines Ethnologen tasten die Augen das glänzende Porzellan ab, würdigen die akribische Reihung perfekt ausformulierter und von Hand gefertigter Sahnehäubchen und vermessen und analysieren die Vielzahl der dekorativen Elemente, um sie mit der eigenen kulturellen Prägung zu vergleichen.

Die Schönheit wird bei dieser visuellen Erkundung als Fähigkeit entlarvt, den eigenen Körper einem jeweils gängigen Ideal anzupassen.

Das Silikon als Material dieser Verzierungen stößt uns hierbei auf unser eigenes Schönheitsempfinden zurück.

Silikon ist bei Heimwerkern und Schönheitschirurgen gleichermaßen beliebt, um Makel im Erscheinungsbild zu korrigieren. Ein Kuriosum, das die Künstlerin mit ihren plastizierten Figuren spielerisch hinterfragt.

Die Identität eines Menschen wird von den Erwartungen seines Umfeldes mitgestaltet. Als Frau und Künstlerin untersucht Anke Eilergerhard, das Spannungsfeld, in dem sie sich selbst bewegt. Aber sie tut das mit einem Augenzwinkern. Voller Gelassenheit aktiviert sie für ihr künstlerisches Vorhaben die traditionell speziell weiblich konnotierten Domänen des Haushalts und der Schönheit und überführt die dort vorgefundenen Utensilien in einen neuen Zusammenhang. Die Fundstücke durchlaufen formale und kontextuelle Verwandlungen bis sie als irritierend vertraute Fremdkörper unsere ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

 

Die Skulptur Denkmal ist gleichermaßen eine abstrakte Form wie ein Gebilde aus Gebrauchsgegenständen. Die Konstruktion aus keramischen Fundstücken entfaltet eine atemberaubende Dynamik.

Die verschiedenen Tassen fließen gleichermaßen nach oben wie sie nach unten zu stürzen scheinen, so als würden unterschiedliche Kräfte an dem filigranen Objekt zerren. Es gibt da ein Ungleichgewicht, ein leises Taumeln, das im festen Stand der bauchigen Kaffeekanne aufgefangen wird.

Fast scheint es, als würde dieses zerbrechliche Gebilde aus geblümten Tassen aus der Enge des profanen Küchenkontextes hinaus- und in den offenen Kunstkontext hineinstreben. Die Tassen beweisen hierbei einen Formwillen, der sie aus ihrer Funktion als Behältnis erlöst und das herrlich biedere Blumendekor in ein spielerisches, ornamentales Raster verwandelt. 

Im Gegensatz zu den Gemütlichkeit verheißenden Kaffeeservice-Fragmenten ist der Haushaltsreiniger eher mit den immer wiederkehrenden Mühen und Pflichten des Hausfrauen-Daseins verbunden. Er wird daher meist im Schrank verwahrt. Aus dieser Isolation heraus rückt ihn Anke Eilergerhard direkt ins Licht der Öffentlichkeit. Denn ihre Kitchenqueens International entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als mit semitransparentem Silikon überformte Reinigerflaschen. 

Auch diese Flaschen sind aufgrund der Bearbeitung durch die Künstlerin unbenutzbar geworden. Kein Etikett verweist mehr auf den Inhalt, stattdessen sind sie geschlossene Form und reine Farbigkeit und fordern in ihrem eigenwilligen Abstraktionsgrad zur Interpretation heraus. 

Wie sie da auf ihren gefliesten Sockeln stehen, mit stolz bekröntem Haupt und umhüllt von einer eleganten Robe aus Silikontupfen, die sie weitgehend einander angleicht, erinnern sie an internationale Schönheitsköniginnen – an Küchenköniginnen, bezieht man ihre Herkunft mit ein – die alle dasselbe ästhetische Ideal repräsentieren.

Die im Innern schimmernden Farben und die leichten Variationen des immergleichen Körperbaus sind die einzigen individuellen Merkmale, die das beherzte, schönheitschirurgische Eingreifen der Künstlerin unterwandert haben.

 

Die Kitchen Queens erscheinen uns als künstliche Schönheiten wie aus der Retorte, wobei die Torte, was nicht weiter verwundern mag, Pate stand für das Grundmotiv der getupften Sahnehäubchen.

Nüchtern betrachtet erscheint die Sahnetorte wie ein Sinnbild für eine opulente Dekoration, die nicht viel mehr als Schaum umhüllt. Eine kuriose Erfindung, entziehen kann man sich ihrem süßen Charme erfahrungsgemäß dennoch nicht. Aber man könnte darüber nachdenken, sich mit dem vollwertigen und naturschönen Karottenkuchen auszusöhnen. Sinnbildlich gesprochen.

Das Schöne erhält im Werk von Anke Eilergerhard immer einen irritierenden Beigeschmack. Es wird im positivsten Sinne des Wortes frag-würdig. Selbst die süßen Herzen, überall auf der Welt Symbole für die Liebe, das Leben und den Kitsch, entfalten auf den zweiten Blick eine augenzwinkernde Doppelbödigkeit, indem die ihnen aufplastizierten Karikaturen den hehren Lebenskreislauf auf die profanen Verrichtungen von Fressen und Verdauen herunterbrechen.

Anke Eilergerhard schafft es mit ihren Kitchenplastics ganz undogmatisch und wunderbar selbstironisch das Frau-Sein in heutigen Zeiten in seinen ebenso stereotypen wie wahren Facetten zu hinterfragen.

Die berühmten drei K als eine althergebrachte Definition für die soziale Rolle der Frau durchliefen schon so manche Wandlung. Aus Kinder, Küche, Kirche, wurde Kinder, Küche, Kammermusik und schließlich Kinder, Küche und Karriere. Anke Eilergerhard hat dem noch eine individuelle Variante hinzuzufügen:

Küche, Kunst und keine Angst vor der Auseinandersetzung mit der Weiblichkeit.

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