In den Gemälden von Karin Brosa offenbart sich eine Welt, die einen Schrittweit neben der Realität steht. Dabei ist ihr Personal eng verbunden mit dem Alltag, ja mit der Gewöhnlichkeit der Welt. Da finden sich und tummeln sich als wiederkehrende motivische Konstanten Goldfischgläser und Kuhglocken, Jägerhochstände und Spielgeräte und dazwischen immer wieder Menschen. Menschen im Wald, Menschen im Karussell, Menschen im Raum. Aber dieses illustre Ensemble ist – weltverloren und traumvergessen – nicht mit den Maßstäben menschlicher Gewohnheit messbar. Sie alle sind aus ihrer eigentlichen Welt gefallen, ihrer eigenen Funktion enthoben, sind uneigentlich entkontextualisiert. Das Vertrautsein mit Brosas Figuren einerseits und die Unvertrautheit ihres Auftauchens andererseits verschieben die gemalten Situationen ins Absurde.

Mit „Wächter“ ist die eindrucksvolle Arbeit betitelt, in der die Goldfische in ihren nackten Kugelgläsern den Boden bis zum Horizont bedecken. Jägerhochsitze ragen wie Wachtürme aus diesem Meer der gefangenen Fische hervor. Doch wen bewachen die bedrohlichen Türme? Vermag es der Goldfisch aus seinem Glas zu fliehen? Indes, je weiter sich die Formen gen Horizont auflösen, desto mehr wird das Gläsermeer zum Meer aus wogenden Wellen, das die Beine der Wächter umspielt. Wer bewacht hier eigentlich wen?

Die skurrilen Welten von Karin Brosa sind vieldeutig verrätselt. Die Dichotomien von Gefangensein und Freiheit, von Isolation und Kommunikation erscheinen als vage Fragestellungen in vielen ihrer Gemälde. Einsam stehen die Wächter in ihrem Meer aus Fischgläsern, isoliert durch ihre Trennscheiben ziehen die Goldfische allein – mit viel Glück paarweise – ihre Runden durch ihre Behältnisse. Die anderen Fische, die anderen Wächter sind sichtbar, aber unerreichbar.

„Treibgut“ erscheint wie das anarchistische Pendant zu „Wächter“. Die Ordnung hat sich aufgelöst, die Malerei selbst hat die Oberhand gewonnen. In der Flut der Farben sind die Wachtürme gestürzt, die Gläser dümpeln inhaltsleer im Meer, die Fische sind nur mehr ein goldenes Aufblitzen unter Wasser. Ist das ein Happy End? Man weiß es nicht. Doch offenbart sich hier die Lust Karin Brosas an der Malerei. Denn auch die Malerei selbst ist bei ihr Dichotomie. Da steht die Viehzahl akkurat formulierter Goldfischgläser in „Wächter“ neben den expressiven Pinselschwüngen in „Treibgut“. Und nicht nur das. Wie ein säuberlich definierter Fremdkörper ragt der vorderste Wachturm in „Treibgut“ aus den gestisch hingeworfenen Fluten und verweist vehement auf seinen Bezug zur Realität, während der Turm im Hintergrund sich aufzulösen droht in Abstraktion. In „Wächter“ wiederum verschmelzen die Wellen und die Wolken im Hintergrund zu reiner Farbe, zu federleichter, namenloser Form.

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